Isaak Behar

Als "U-Boot" in Berlin überlebt

Foto: Nachlass Isaak Behar

Die Eltern Lea und Nissim Behar emigrieren 1915 aus der Türkei nach Deutschland. Sie sprechen Judezmo, die Sprache der sephardischen Juden und Jüdinnen, sowie umgangssprachliches Türkisch. Sie leben in ärmlichen Verhältnissen. Der Vater Nissim Behar verdient sein Geld als Teppichstopfer. Im September 1923 wird Isaak als drittes Kind der Familie in Berlin geboren. Seine beiden älteren Schwestern sind bereits 3 und 7 Jahre alt.

Die ersten antisemitischen Gesetzgebungen ab 1933 verfolgt die Familie mit Besorgnis, ist jedoch erst einmal nicht davon betroffen. Opfer dieser Erlasse sind zunächst Berufsgruppen wie Beamt_innen, Anwälte und Lehrer_innen, die aus ihren Berufen verdrängt werden. Einfache Arbeiter_innen wie Nissim Behar bleiben vorläufig unbehelligt.

An Isaaks Schule verschärft sich jedoch allmählich der Ton. Er erinnert sich später:

 

„Im Rassenkundeunterricht feixten viele und rieben sich aus Schadensfreude die Hände. Keiner hatte Mitleid mit uns jüdischen Mitschülern.“

 

1939 muss Isaak dann die Schule verlassen und wechselt auf die einzig noch verbleibende Möglichkeit einer jüdisch-orthodoxen Privatschule. Doch auch dort macht er Erfahrung mit Ausgrenzung und Diskriminierung. Er berichtet später, wie sich seine Mitschüler über ihn lustig machten:

 

„Du bist nämlich gar kein richtiger Jude. Du bist nur ein nachgemachter Jude!’ [...] Von meiner nichtjüdischen deutschen Umgebung wurde ich gemieden und verachtet, weil ich Jude war. Und hier, in der jüdischen Schule, wurde ich gemieden und belächelt, weil ich kein richtiger Jude war. Einmal zu viel Jude, dann wieder zu wenig Jude...Nun war ich vollends durcheinander.“

 

Im April 1939 werden die türkischen Pässe der Familie zwecks einer „Überprüfung“ eingezogen. Als Ersatz erhalten die Familienmitglieder den sogenannten „Fremdenpass“ mit dem Vermerk „staatenlos“. Damit untersteht die ganze Familie nicht länger dem Schutz des türkischen Staates, ist fortan den Schikanen der Nazis schutzlos ausgeliefert. Ab 1941 müssen Isaak und seine Familie offiziell den „Judenstern“ tragen. Sie werden, wie alle anderen Betroffenen, als Juden markiert und sichtbar (gemacht). Von 1942 an lebt die Familie in großer Armut, wird zur Zwangsarbeit verpflichtet und lebt in der allgegenwärtigen Angst vor der Deportation.

 

Am 14. Dezember 1942 werden Isaaks Vater, seine Mutter und seine beiden Schwestern von den Nazis abgeholt. Isaak selbst ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, entkommt nur dadurch der Deportation. Er taucht in die Illegalität ab und lebt als sogenanntes „U-Boot“ im Untergrund. Der Rest seiner Familie hat nicht überlebt.

Auf einer Liste der ermordeten Berliner Juden vom 14. Dezember 1942 sind zu finden:

Die Schwester: Behar, Alegrina, geb. 1916 in Berlin, Todesort Riga, verschollen.

Die Schwester: Behar, Jeanne, geb.1920 in Paris, Todesort Riga, verschollen.

Die Mutter: Behar, Lea, geb. 1890 in Istanbul, Todesort Riga, verschollen. Der Vater: Behar, Nissim, geb. 1886 in Istanbul, Todesort Riga, verschollen.


Aus dem Nachkriegsarchiv kommt später eine weitere Auskunft: Am 14. Dezember 1942 waren 811 jüdische Männer, Frauen und Kinder am Gleis 17 des Bahnhofs Berlin Grunewald verladen worden. Der Transport war für das KZ Ausschwitz bestimmt.

 

Es grenzt an ein Wunder, aber Isaak Behar entgeht in Berlin, der Machtzentrale des Hitler-Regimes, bis zum Ende des Krieges immer wieder der Verhaftung durch die Nazis und damit dem sicheren Tod. Isaak Behar ist 2011 im Alter von 87 Jahren in Berlin gestorben.