Im Gegensatz zu der Kollaboration arabischer Politiker mit dem nationalsozialistischen Deutschland - ein Thema, zu dem bis heute intensiv geforscht wird - sind arabische Opfer des Nationalsozialismus, die ermordet wurden, bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Auch über arabische Häftlinge in Konzentrationslagern ist bisher nur wenig bekannt.
Der Umgang der Nazis mit arabischen Menschen in Deutschland stand im unmittelbaren Zusammenhang mit den außenpolitischen Plänen des Dritten Reiches. Während des Zweiten Weltkrieges suchten die Nazis nach verbündeten Ländern, um so den Krieg gewinnen zu können. So bestand die kalkulierte Vorgehensweise ab 1940 darin, die Bevölkerungen in arabischen Ländern gegen die kolonialen Besatzer wie Frankreich oder England aufzuwiegeln. Vor allem in nordafrikanischen Ländern sollte durch Propaganda eine strategische und berechnende Partnerschaft aufgebaut werden. In Deutschland sahen sich allerdings arabische Menschen trotz dieser Sympathie heischenden Propaganda Schikanen ausgesetzt. Auch wenn es keine direkt festgeschriebene rassische Verfolgung gab, so wurden sie doch als „fremdrassig“ stigmatisiert und diskriminiert.
Informationen über zivile arabische Opfer im Nationalsozialismus sind sehr schwer zu finden. Ein Grund dafür waren die unterschiedlichen Bezeichnungen der Nazis für arabische Menschen wie z.B. „Orientale“. In einer Liste, die SS-Reichsführer Heinrich Himmler 1944 über „Häftlinge islamitischen Glaubens“ aus verschiedenen Konzentrationslagern zusammenstellen ließ, sind 1151 Männer und 19 Frauen verzeichnet, die aus arabischen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrika kamen. Araber_innen sind in dieser Liste nicht aufgeführt. Doch es gab sie, unsichtbar gemacht durch ebendiese willkürliche Zuordnung zur „islamitischen“ Glaubensrichtung.
Ein weiterer Grund dafür, dass man die Spur ziviler arabischer Opfer im Nationalsozialismus heute nur schwer verfolgen kann, liegt in der kolonialen Vergangenheit. Viele der arabischen Menschen kamen als Arbeitsmigrant_innen ursprünglich aus Algerien, Marokko, Ägypten und Palästina. Diese Länder waren von europäischen Staaten wie Frankreich und England besetzt. Die Menschen, die aus den besetzten Ländern in Konzentrationslagern inhaftiert waren und zu Tode kamen, wurden demnach unter der Staatsangehörigkeit der jeweiligen Kolonialmächte geführt. So wurden z. B. Algerier als Franzosen bezeichnet, und die eigentliche Herkunft der Menschen verlor sich dadurch. Dieser Menschen wird bis heute nicht als derer gedacht, die sie waren: arabische Opfer des Nationalsozialismus.